Handegg - Boulder Highway 7a+ (A0)
Der grosse Handeggboom der 1970/80er-Jahre ist längst verflogen. Klingende Namen wie Siebenschläfer, FairHands-Line, Boulder Highway und Schiefer Traum lockten damals Kletterer aus ganz Europa an die geschliffenen Felsfluchten am Grimselpass. Musste man damals am Einstieg Schlange stehen, ist dies heute höchstens noch bei der Fair Hands Line der Fall. Am Tag unserer Begehung des Boulder Highway und auch am Folgetag beim Siebenschläfer hatten wir das ganze Gebiet für uns alleine.
Die Route Boulderhighway galt einst als Toproute und wurde von Hans Howald erstbegangen. In den letzten Jahrzehnten ging die Route in Vergessenheit. Zu weite Hakenabstände, altes Material, nervenaufreibende Reibungskletterei und nicht zuletzt der Fakt, dass ein A0 bei der Bewertung steht, sind nicht mehr im Trend. Bei mir stand die Route jedoch seit Jahren auf der To-do-Liste und ich hatte auch im Sinn die Route irgendwann zu sanieren. Die Zeit für solche Nebenbeiprojekte wurde mit Familie jedoch nicht mehr und so wurde die Route mittlerweile von Doppmann/Harris saniert. Vielen Dank an dieser Stelle!
Die Benzinplatte erreicht man von der Kraftwerkszentrale im Handegg in 15min. Der Zustiegsweg ist markiert mit Steinmännern und gut in leichtem Schuhwerk machbar. Früher ist man von rechts über ein Grasband zum Einstieg gequert. Gemäss Topo der Sanierer sollte nun ein Direkteinstieg möglich sein. Wir haben wohl den Einstieg über den Steinbeisserweg gewählt und erreichten so flott aufgewärmt den Orginaleinstieg der Route Boulder Highway.
Boulder Highway 7a+ (A0)
1.Sl 5c+: Die Seillänge eignet sich super zum Angewöhnen. Der Fels ist hier noch relativ rau und gut strukturiert. Zudem lässt sich die Kletterei hervorragend mit Friends absichern. Der Stand befindet sich bei einem Muniring welcher durch einen Bohrhaken mit Ring ergänzt wurde. Allgemein steckt seit der Sanierung fast an allen Standplätzen dieses Setup. 40m
2.Sl 7a+: Was für eine super Seillänge. Nun steilt die Wand auf und man erreicht den markanten Bauch der "Benzinplatte". Links und rechts ist der Fels geschliffen und glatt wie ein Marmorboden, doch mitten in der Steilplatte zieht eine Ader welche gespickt ist mit Kanten und Leisten in die Höhe. Und bald wird auch klar, dass der Name Programm ist. Man kann den einen oder anderen Bouldermove auspacken, sogar ein Dynamo ist integriert. Die Crux ist dann in Routenmitte aber trotzdem bei einer Reibungsstelle. 35m
3.Sl 6b+ 2.p.a.: Die nächste Seillänge startet mit einem Plattenknaller. Wie man diese Rechtstraverse genau freiklettern will, ist mir ein Rätsel. Selbst Glatthard Yannick sagte mir noch am selben Tag, dass diese Stelle für ihn ein Fragezeichen darstellt. Die Haken stecken hier jedoch so dicht, dass man auch ruhig ein bisschen probieren darf. Anschliessend gehts griffig an einer Schuppe zur nächsten Platte. Hier darf wieder gebouldert werden. Die Stelle erinnert etwas an die Gletschermühlen-Seillänge im Siebenschläfer, ist technisch jedoch etwas einfacher. 30m
4Sl. 5c+: Nun folgt ein weiteres Wunder der Natur. Als hätte ein Riese mit einem Oberfräser eine Linie in den knallharten Granit gefräst, zieht ein schönes Band nach links in die Platte. Über dieses traversiert man nach links und umgeht so geschickt die nächste Steilplatte. Die Traverse ist nicht wirklich schwierig und seit der Sanierung mit einem Bohrhaken abgesichert. Anschliessend gehts an guten Strukturen hinauf an die Kante vor dem Standplatz. Hier sorgen nochmals 2 Bohrhaken für eine gute Absicherung. Gemäss verschiedenen alten Topos steckte in dieser Seillänge vor der Sanierung noch kein Haken. 30m
5Sl. 6b: Die fünfte sehr schöne Seillänge folgt einer Verschneidung, welche in ein kleines Dächli mündet. Der Riss in der Verschneidung ist etwas botanisch, doch er bietet genug Platz für Finger, Fuss und Klemmgerät. Anschliessend gewinnt man griffig das Dächli. Diese Seillänge dürfte sich im Bereich 6a+/6b bewegen, vergleicht man sie mit anderen Seillängen in der Umgebung (Siebenschläfer, MetalHurlant...). Bei einer nächsten Begehung nehme ich sicher einen kleinen Pickel mit um beim Abseilen die Vegetation zu entfernen. 30m
6Sl. 6b+ Pendelquergang: Und wieder stellt sich eine Steilplatte in den Weg, welche links umgangen wird. Die Querung stellt sich als etwas exponierter dar, als noch in der vierten Seillänge. Anschliessend klettert man gerade hinauf zum Standplatz von Jim Knopf (zwei ältere Bohrhaken) welcher natürlich als Zwischensicherung genutzt werden kann. Das Gelände wird zunehmend plattiger und irgendwann stecken 2 Bohrhaken relativ dicht. Hier ist fertig mit Freikletterei und man bedient sich eines Pendelquergangs. Dieser ist richtig cool und eines der Highlights der Route. Für den Nachsteiger ist das Ganze dann leider nicht mehr so intressant. 35m
7Sl. 6b: Nach einem noch etwas plattigen Start erreicht man eine griffige Verschneidung. Anstatt den optisch logischen anstrengenden Weg entlang dem Dächli zu wählen, zweigt die Route schon vorher nach links weg und so erreicht man relativ gutmütig doch noch die Dächlikante. Diese überwindet man an guten Griffen und steht schon beim nächsten Stand. 30m
8Sl. 6c+ (A0): Vom Stand weg geht's an einer Leiste hoch zum steilen Bauch mit der A0-Stelle. Hat man seinen Körper über den Bolt gebracht folgt das nächste grosse Highlight der Route. An kleinsten Strukturen und Crimps traversiert man nach rechts. Das Sanierungsteam hat diese Stelle glücklicherweise nicht mit Bohrhaken entschärft und so fordert diese vom Vor- und auch vom Nachsteiger einen kühlen Kopf. Hat man den Quergang geschafft wird es kurz einfacher, bevor es nach links zurück zum Stand geht und die technischen Schwierigkeiten nochmals etwas zunehmen. Der Sicherungspartner ist nicht mehr sichtbar und der Seilzug trägt auch das nötige dazu bei, dass die Psyche nochmals etwas gefordert wird. 30m
Je nach Topo würde noch eine deutlich einfachere Seillänge weiterführen. Diese ist jedoch nicht saniert und sieht deutlich einfacher aus als der Rest der Route. Das Wandbuch existiert leider nicht mehr und könnte bei Gelegenheit ersetzt werden.
Fazit: Boulder Highway ist definitiv eine Toproute am Grimselpass. Ein Muss für jeden, welcher diese Art von Kletterei schätzt. Die Anforderungen welche die Route an Wiederholer stellt sind physisch und psychisch sicherlich geringer als bei Inox in der Schöllenen. Trotzdem drängt sich ein Vergleich auf Grund von der Art der Kletterei auf. Bei Inox wurde bei der Sanierung etwas mehr Wert darauf gelegt, dass auch schwierige Stellen obligatorisch geklettert werden müssen. Allfällige Wiederholer könnten ein Eisen sowie ein Engländer mitnehmen, um das alte Hakenmaterial noch zu entfernen.
Material: 2x 50m, 12 Express, Cams 0.3-1
Einstieg über den Steinbeisserweg
Die erste Seillänge des Boulder Highway. Der Fels ist hier noch rau und gut strukturiert.
Raphi in der zweiten Seillänge 7a+
Die zweite Seillänge folgt einer Ader welche gespickt ist mit kleinen Leisten und Kanten. Das Foto wurde aus der Kletterposition aufgenommen.
Luki in der zweiten Seillänge
Die dritte Seillänge startet mit einem Quergang über eine glatte Platte.
Der Quergang zu Beginn der vierten Seillänge. Ein Wunder der Natur
Etwas Abwechslung in der fünften Seillänge. Die Verschneidung lässt sich gut selbst absichern.
Rückblick in der sechsten Seillänge
Die siebte Seillänge.
Raphi folgt in dert siebten Seillänge.
In der achten Seillänge kurz oberhalb der A0-Stelle
Luki auf den letzten Metern.
Abseilfahrt
Abseilerei
Die Optik erinnert stark an INOX in der Schöllenen
Blick zum Ölberg. Die Route folgt über die braunen Platten in Wandmitte genannt Benzinplatte
Bericht: Siebenschläfer 6b+
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